Nina Benz
Mountainbikerin

Der große Rückblick

Hallo zusammen,

wie sagt man so schön „long time no hear“. Zumindest nicht im Rahmen eines Blogbeitrages. Diejenigen, die mich auf Instagram verfolgen, wissen, dass ich auf ein ereignisreiches Jahr zurückblicke. Ein Jahr, oder eher gesagt eine Saison, die ich mir definitiv anders vorgestellt habe. Doch jede Herausforderung lässt einen wachsen und so ziehe ich auch unter diese Saison einen positiven Schlussstrich. Aber erst mal der Reihe nach.

Für die Saison 2022 hat sich bei mir einiges geändert – neuer Coach & neues Team. Das bedeutete viele neue Gesichter, unbekanntes Umfeld und jede Menge neue Ereignisse. Doch ich habe mich direkt wohlgefühlt und so gings auch direkt los mit den Vorbereitungen auf diese vergangene Saison. Trainingslager mit dem Team in Finale Ligure im November, jährliches Dezember-Trainingslager auf Mallorca mit der Nationalmannschaft, Trainingslager auf Gran Canaria im Januar und geplanter Saisonbeginn im März.
Sturz in der ersten Rennwoche mit Folge abgebrochener Frontzähne war schon ein etwas holpriger Start, doch im April konnte ich dann tatsächlich richtig in die Saison einsteigen, und zwar auf Elba. Wart ihr schon mal in Elba? Eine absolute Empfehlung und zwar unbezahlt :-) . Es ist super schön dort zum Biken, Urlaub machen oder auch Rennen fahren. Puh, ich habe über den Winter fast vergessen wie anstrengend dieses Rennen fahren ist. Ich behalte es mir nun besser im Hinterkopf für nächsten März. Anyway, Saisonstart ist immer spannend - die Aufregung, Anspannung, Ungewissheit, … aber auch Freude, dass es endlich los geht und man zeigen kann, an was man alles über den Winter gearbeitet hat. Solider Start für mich hier und ich bin zufrieden nach Heubach weitergefahren. HC Rennen in Heubach, der Klassiker. Entweder man liebts oder man hasst es. Ich hatte schon solche und solche Tage hier. Und dieses Jahr hatte ich einen echt genialen Tag. Die Bedingungen waren richtige Albbedingungen. Regen, einstelliger Gradbereich und matschig. Ja, ich liebs! :) Ich hatte einen mega flow, habe bis zum letzten Anstieg das Rennen angeführt und dann am Ende als 3. gefinished.

Weltcupstart

Zufrieden ging es in Richtung des ersten Weltcups in Albstadt und dann direkt nach Nove Mesto.
Albstadt ist special, Heimweltcup, einige Freunde am Streckenrand und dazu noch erster Weltcup des Jahres. Irgendwie hatte ich keinen so guten Tag und kam hinter meinen Erwartungen ins Ziel. Wir sind mit dem Team direkt weitergereist, hatten eine super Woche in Nove Mesto/CZE – mit der nötigen Lockerheit, aber auch mit dem nötigen Fokus, denn am Freitag gings direkt mit dem Short Track weiter. Ja, Short Track und ich sind noch keine Freunde, aber das wird schon noch, da bin ich zuversichtlich. Dafür sind die Cross Country Rennen und ich richtig gute Freunde und Sonntag konnte ich zeigen, was in mir steckt. Ich bin ¾ des Rennens in den Top10 gefahren, am Ende als 14. ins Ziel gekommen. Das hat schon Laune gemacht! Und das sind solche Rennen, für die man den ganzen Winter ackert! Und so ging ich mit einem super Gefühl in die Vorbereitung der weiteren Weltcuprennen und der Deutschen Meisterschaft.

Ausgebremst durch Corona

Und an manchen Tagen fühlt man sich unaufhaltbar, unbesiegbar und hat so einen Flow im Training und dann ‚zack Bumm‘ wird man ausgebremst. Durch etwas, das man nicht beeinflussen kann - von Corona. Fieß, ungerecht, warum ich?, warum jetzt? … tja, Fragen, die einem nichts bringen, Fragen ohne Antworten, aber trotzdem ist es legitim sich diese zu stellen. Eine Situation, die man akzeptieren muss, um dann das Beste daraus zu machen. Erholen, aufstehen, Krönchen richten und weitermachen. Den Weltcup in Leogang ließ ich aus, um nichts zu riskieren, die Deutsche Meisterschaft nahm ich in Angriff, nachdem ich das „GO“ des Ärzteteams hatte. Tja, nach einer Runde war Schluss, mein Körper war einfach noch nicht bereit, zwei Wochen nach Corona 90min Rennen zu fahren. Traurig und enttäuscht ging ich ins Trainingslager nach Livigno. Ich musste mich erst mal sammeln, die Situation erneut akzeptieren und den Fokus wieder finden. Ich will nichts schönreden, denn manche Dinge brauchen Zeit. Gute Gespräche und vor allem die Trails in Livigno haben mich daran erinnert, was Mountainbiken auszeichnet. Stundenlang Trails fahren mit einem unglaublichen Panorama, leckerem Eis und Café afterwards und guter Gesellschaft währenddessen oder (ich bin auch ganz ehrlich) einfach mal allein die Gedanken treiben lassen – all das war Balsam für die Seele. Das 14-tägige Höhentrainingslager haben wir mit dem Team gemacht. Die Zeit ist verflogen, gute Trainingseinheiten haben wir absolviert und einige Spieleabende gemacht. Ich habe ziemlich schnell meinen Fokus für die zweite Saisonhälfte wieder gefunden und das war gut so, denn die weiteren Saisonhöhepunkte standen an.

vorzeitiges Saisonende

Motiviert sind wir zusammen in die Lenzerheide gefahren. Doppelweltcupwoche. Erst Lenzerheide, dann direkt weiter nach Andorra. In der Lenzerheide war ich noch ordentlich müde (geplanter weise) von dem Trainingslager in Livigno, aber in Andorra habe ich mich richtig gut gefühlt. Die Strecke ist genial, Höhe (Start/Ziel liegt auf 1900m) bereitet mir keine Probleme und Bock zum Racen hatte ich auch! :-) Der Start verlief nach Plan, ich war in den Top15 und dann auf einmal innerhalb einer Millisekunde sollte sich meine ganze Saison verändern. Ein Wimpernschlag, bei dem das Glück nicht auf meiner Seite war. Tja, unspektakulär in einer Linkskurve weggerutscht – elegant gefangen oder auch nicht. Aufjedefall konnte ich nach meinem Drift nicht mehr auf meinem Fuß auftreten. Die Zuschauer waren sehr hilfsbereit, haben mich weg aus der Gefahrenzone getragen und die Sanitäter gerufen. Mein Teamchef, Physio, Coach – alle waren direkt da. Kurzes Telefonat in die Heimat, dass es mir gut geht und ab ins Krankenhaus. Zuerst dachte ich, höchstens sind die Bänder ab, allerhöchstens. Doch eine Stunde später bekam ich die Diagnose Wadenbeinbruch. Schweres Schlucken. Rechnen. Wie viele Wochen bis zur WM? Schlucken. Zu knapp. Heimreise mit einem gebrochenem Herzen. Erneutes Check-Up in der Uniklinik Freiburg. Neue Diagnose: Weber B Fraktur – Syndesmoseband ausgerissen, Wadenbein gebrochen - Sprunggelenk gebrochen. Tränen. 4 Tage später die OP. Komplett k.o lag ich im Krankenhaus, ausgeknockt von der Narkose, mein Freund, der mir keine Blumen, sondern jeden Tag essen bringt, denn ohje, wie zur Hölle soll man mit dem Krankenhausessen wieder gesund werden?!, Genesungswünsche trudelten ein, ein Care-Paket von Freunden, Sudoku gegen die Langeweile, … DANKE an alle, die an mich gedacht haben! Und irgendwie kam hier der Wendepunkt. Denn mit Traurigkeit lebt es sich so viel schwerer, man zieht das Negative förmlich an und das will ich nicht. Ich will das Positive anziehen. :-) Mein Ziel war es, meinen Fuß und meinen Körper bestmöglich bei meinem Heilungsprozess zu unterstützen und so schnell wie möglich wieder fit zu werden. Ich hatte ein super Team um mich herum, jeder hat das Beste gegeben. 3 Mal die Woche bin ich zum Physio gefahren, nein ich wurde gefahren. Gechillt bis zum Umfallen, mich bedienen lassen (ohje, ich war darin so miserabel), … all das gehörte nun zu meinem Alltag. Kein Sport, keine Bewegung. Puh, das war anders anstrengend. Nach der Wundheilungszeit durfte ich ins Schwimmbad, endlich! Ich war so glücklich, und von da an, wer mich gesucht hat, wusste, ich bin im Strandbad. :-)  und so ging es weiter. Step by step. Irgendwann durfte ich teilbelasten und auf die Rolle. Ja ich saß zuerst wieder auf dem Rad, bevor ich gelaufen bin. Hihi. Okey, ich muss hier einen Brake machen, sonst schreib ich keinen Blogbeitrag, sondern ein ganzes Buch.

Comeback

Ende der Geschichte ist, dass ich 10 Wochen nach meiner Verletzung mein erstes Rennen gefahren bin! Neuneinhalb Wochen nach der OP, 8 Wochen nach meiner ersten Schwimmeinheit, 6 Wochen nachdem ich das erste Mal auf dem Rad saß und drei Wochen nach meinem ersten Ride outside. Und ich habe gewonnen! Das war ein surrealer Moment! Denn bei dem Rennen ging es für mich nicht um die Platzierung, sondern allein darum, dass ich mich wieder an die Startlinie gestellt habe. Dass ich mich überwunden habe, mich an die Startlinie zu stellen. Ich wollte die Routine zurück, doch gewinnen - das war nicht die Zielsetzung. Ein wichtiger Schritt für meine Comeback-Mission.
Übrigens hat der erste Arzt, der mir die Diagnose in Freiburg übergeben hat, gesagt, dass ich 3 Monate keinen Sport mehr machen kann! Tja, und ich bin nach 2,5 Monate Rennen gefahren. Ja, es ist bestimmt nicht der Durchschnitt, aber nichts ist unmöglich und man sollte sich durch nichts unterkriegen lassen:-). jeden einzelen Tag habe ich dafür das Beste in meiner Reha gegeben und es hat sich ausgezahlt!
Meine Saison habe ich dann in Griechenland mit einem XXL Rennblock beendet. 9 Rennen in 18 Tage. Tag für Tag habe ich mich müder gefühlt, aber gleichzeitig wurde ich Rennen für Rennen schneller. Das war ein seltsames Gefühl, das könnt ihr mir glauben. Bei dem Rennblock in Griechenland ging es auch weniger um die reinen Platzierungen, sondern viel mehr die verlorenen Weltranglisten-Punkte zum Teil wieder zu sammeln. Denn durch die Verletzung bin ich jetzt aus den TOP40 der Weltrangliste rausgeflogen und darf so erstmal nächstes Jahr nicht im Short Track am Freitag in der Weltcup Woche starten. Doch mein Ziel ist klar und ich freue mich auf die nächste Saison und ich bin bereit zu kämpfen!

neue Saisonvorbereitung

Und so stecke ich jetzt auch schon voll in der Saisonvorbereitung drin. Trainiere aktuell in Freiburg im Kalten, mixe mein Wintertraining mit Langlaufen und Tourenski in den Bergen auf und freue mich dann auf ein Trainingslager im Januar im Warmen.

So und jetzt habe ich einen ganzen Roman geschrieben, über meine Höhen und Tiefen der Saison, über meine Gedanken und Gefühle, über meine Erfahrungen und Aha-Momente, einfach um euch einen kleinen Einblick ins Leben meines Profidaseins zu geben. Damit der Blogbeitrag nächstes Jahr um die Zeit nicht wieder so lange wird, werde ich es mir jetzt fest vornehmen öfters einen Blogbeitrag zu schreiben. At least I’ll try.

In diesem Sinne, genießt die letzten Tage des Jahres, bleibt gesund und startet gut in das neue Jahr hinein!

XOXO, Nina




veröffentlicht am 15.12.2022